No niin.

Vereinfachungen - Umgang mit Informationsüberladung

Wer gerne Notizen schreibt und vielleicht sogar über ein eigenes hinreichend komplexes Notizensystem (einen Zettelkasten) verfügt, der wird schnell feststellen, dass sich hier ein Stück weit wiederholt, was man aus der großen weiten Welt auch kennt: Man findet sich einem ziemlich großen Wust an potenziellen Informationen gegenüber, von denen man bei weitem nicht (mehr) alles versteht. Mindestens einige der Notizen wurden vor Jahren in einer ganz anderen Einstellung unter ganz anderen Gesichtspunkten verfasst und man vergisst doch vieles über die Zeit. Da man nicht alle Information verarbeiten kann, kommt es zur Informationsüberladung oder eigentlich: zum Rauschen.

Das Mittel der Wahl zum Umgang mit dieser Problematik ist die Vereinfachung. Wenn wir uns in unübersichtlichem Gelände befinden, dann kann es helfen eine stark vereinfachte 2D-Projektion, eine Karte, zu verwenden, damit wir uns orientieren können - eine Grafen-Ansicht der nähren Umgebung eines Zettels wäre so etwas. Es ist auch möglich, dass wir bestimmte Arten von Mediatoren ausschließen: manchmal reicht einem der Metro-Fahrplan.

Eine unvollständige Liste von Vereinfachungen:

  • Überblick verschaffen - durch Projektion (grafische Darstellungen)
  • Filtern - durch temporäres Ausschließen von Optionen (Suche)
  • Gruppieren - durch das Arbeiten mit geteilten Merkmalen (Tags)
  • Hierarchisieren - durch das Anordnen von Exemplaren oder Gruppen (Verzeichnisse)
  • Relationieren - durch das Ablegen von Referenzen zu anderen Daten (Links)
  • Kontextualisieren - durch das Anreichern von Informationen mit Wissen (Fußnoten, Anmerkungen, etc.)
  • Automatisieren - durch Formalisierung von Arbeit an Daten (automatische Erstellung von Backlinks)

(Ich würde mir ein Paper oder ein Buch zum Thema Vereinfachungen wünschen. Nur wie danach suchen?)

Vereinfachung macht Arbeit. Insofern spielt der Faktor Zeit eine Rolle. Zeit im Sinne von "Lebenszeit" oder auch "Zeit fürs Schreiben" verhält sich wie eine endliche Ressource. Insofern sind nicht in allen Situationen Vereinfachungen realisierbar.

Über eine weitere mächtige Vereinfachung habe ich noch nicht gesprochen: Achtsamkeit. Die Einsicht der Begrenztheit der Ressourcen einerseits und die Beobachtung der eigenen Selbstreferenz anderseits, ermöglicht es sich selbst nicht im Rauschen zu verlieren. Dazu muss man im Gegensatz zu vielen anderen Vereinfachungen sein Selbst trainieren bzw. beobachten, was umgekehrt aber auch heißt, dass diese Vereinfachung immer zur Verfügung steht. Sich dem eigenen Bewusstsein bewusst zu sein ist daher im Hinblick auf Fragen der Komplexität mit der man sich konfrontiert sieht, nicht zu unterschätzen.

D-Prime - Deutsch ohne das Verb "sein"

E-Prime lautet der Name einer Version der englischen Sprache, die es verbietet, das Verb "(to) be" zu verwenden, da dieses Verb zu viele sich überlagernde Funktionen in der Sprache übernimmt. Vermeidet man dieses Verb, dann verbessert sich dadurch das eigene Schreiben, weil man spezifischer sein muss - jedenfalls was den eigenen Verbgebrauch betrifft.

Vielleicht lohnt sich eine deutsche Variante, in der man das Verb sein in all seinen Formen vermeidet? Jedenfalls experimentell?

E-Prime gehört zu den kontrollierten Sprachen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine natürliche Sprache auf bestimmte Art und Weise einschränken um dadurch z. B. die Verständlichkeit zu erhöhen. E-Prime entstammt dem Forschungsprogramm der General Semantics, die sich u. A. durch eine Kritik an allzu Objektivität-behauptenden Sätzen auszeichnet, für die man unter anderem eben auch das Verb sein/(to) be mitverantwortlich machen kann.

Der General Semantics-Bewegung ging es darum aufzuzeigen, dass vor der Artikulation eines Eregnisses in linguistischer Form noch Verarbeitungsebenen physiologischer und elektro-chemischer Form liegen. Das bedeutet, dass linguistische Äußerungen von (inneren oder äußeren) Ereignissen immer schon als vermittelt gedacht werden müssen. Die Behauptung, dass etwas so oder so sei, drückt also im besten Falle nur ungenau den Sachverhalt aus - wenn üerhaupt dann erscheint etwas als ob es so sei. General Semantics geriet ähnlich wie die Kybernetik in Vergessenheit. Einige der Ideen leben aber in anderen Forschungsprogrammen weiter.

Auch das Forschungsprogramm "General Semantics" erfand die Ideen rund um die Achtsamkeit der Vermitteltheit von Sprache nicht. Der Anspruch allerdings durch das Beachten der Vermittelheit von Sprache sogar therapeutische Wirksamkeit zu erzielen hingegen, entsprang vielleicht tatsächlich nur diesem Forschungsprogramm.

Warum nun also dasselbe auch im Deutschen versuchen? Es zeigt einem, wie man allzu oft automatisch einem ungerechtfertigt objektiven Sprachgebrauch verfällt. Auf das Verb sein für immer zu verzichten scheint hingegen nicht sonderlich sinnvoll - aber ab und an einen Blogbeitrag in D-Prime zu verfassen legt die eigenen sprachlichen Automatismen frei.

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