No niin.

2020-02-02 Mittag

In Oulu gewesen und dort den Bart gestutzt. Strömsö ist eine schwedischsprachige Innenarchitektur- und Handarbeits-Sendung im finnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen YLE. Meine Freundin schaut die Serie gerne und durch Zufall sahen wir eine Episode aus dem Jahre 2018 in dem es um Bärte und männliche Schönheit ging. Der dem Moderator den Bart schneidende Barbier kam - wie es der Zufall so wollte - aus Oulu (der nächsten größeren und gut erreichbaren Stadt hier im Norden). Und so ward also ein Barbier für mich gefunden.

Ganz interessant: Egal, ob man sich eher als introvertiert oder als extrovertiert einordnet, soziales Verhalten scheint zu insgesamt mehr Zufriedenheit zu führen.(epley2014 und sun2019)

Kontraintuitive empirische Befunde wie dieser sind immer wieder spannend. Ich würde mich selbst als extremen Introvertierten sehen. Das Ausmaß meiner Introvertiertheit ist aber sicherlich auch davon abhängig, dass ich so viele Podcasts höre. Ich habe dann über die Interaktionen mit meiner Freundin, mit den Kollegen auf Arbeit und den Gesprächen der Podcaster, denen ich lausche hinaus wenig Bedarf nach zufriedenheitssteigernden sozialen Situationen. Es kommt auch mal vor, aber das ganze reguliert sich fast unabhängig von dem obigen Befund. Das erlaubt es mir stattdessen an mir "zu arbeiten". Eine dazu passende Einsicht, nämlich das "hedonic-flexible principle" zeigt genau das: Wenn man unglücklich ist, tendiert man zu Tätigkeiten, die zur eigenen Zufriedenheit beitragen (z. B. eben soziale Situationen), wenn man hingegen zufrieden ist, ist man bereit Zufiedenheit-spendendes Verhalten gegen Verhalten einzutauschen, welches langfristig lohnenswert erscheint.(taquet2016)

Anders gesagt: Dadurch, dass ich genug Zufriedenheit stiftende Aktivitäten in meinem Alltag habe und vielleicht auch insgesamt etwas weniger davon brauche, kann ich mehr als andere und vielleicht auch weniger abhängig als andere von anderen (mein Podcast-Verhalten zum Beispiel erlaubt mir das Pausieren eines Zufriedenheit-stiftenden Gesprächs, wenn es mir passt).

Vielleicht ist das Optimieren entlang des hedonic-flexible principle mithilfe von Aktivitäten, die nicht unmittelbar menschlich-sozial sind (sondern mittelbar - wie eben Gespräche aus der Dose) gar nicht mal die schlechteste Idee. Denn Interaktionen mit nicht-menschlichen Akteuren vermögen eventuell besser regulierbar sein (oder zumindest haben menschliche Akteure häufig weniger Skrupel gegenüber nicht-menschlichen Akteuren). Denn eine Herausforderung bei menschlichen Interaktionen ist, dass die sich gegenseitig aufbauenden Erwartungshaltungen und der sich aus dem Kommunikationszusammenhang ergebende ungewisse Ausgang auch Ungewissheit bezüglich der Länge der Situation und dem Ausgang der Situation impliziert. Was wiederum zur Folge hat, dass man, wollte man wieder nur menschlich-soziale Aktivitäten anschließen, schlechter das Ende dieser Kette kontrollieren kann, weil die andere Seite (die anderen Seiten) eben auch Ansprüche an die Situation (Situationen) stellen kann und häufig auch stellt. Anders hingegen bei Podcasts: Hier kann ich pausieren, wenn ich genug habe. Oder - auch das eine Möglichkeit, die sich aus der Verfasstheit des Mediums ergibt - ich kann viele Dinge tun während ich Podcasts höre. Insofern sind Podcasts ein Medium für Temptation Bundling par excelence. Temptation Bundling wiederum ist der Versuch den Zeitabstand zwischen stimmungsverbessernden Aktivitäten und nützlichen Aktivitäten zu verkürzen, in dem man sie einfach gleichzeitig geschehen lässt: Netflix nur auf dem Fahrrad, beispielsweise.

Literatur:

  • [epley2014] Epley, Nicholas, and Juliana Schroeder. “Mistakenly Seeking Solitude.” Journal of Experimental Psychology: General 143, no. 5 (2014): 1980–99. doi.org.
  • [sun2019] Sun, Jessie, Kelci Harris, and Simine Vazire. “Is Well-Being Associated with the Quantity and Quality of Social Interactions?” Journal of Personality and Social Psychology, 2019, No Pagination Specified-No Pagination Specified. doi.org.
  • [taquet2016] Taquet, Maxime, Jordi Quoidbach, Yves-Alexandre de Montjoye, Martin Desseilles, and James J. Gross. “Hedonism and the Choice of Everyday Activities.” Proceedings of the National Academy of Sciences 113, no. 35 (August 30, 2016): 9769–73. doi.org.
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